Ist Nestlé ein Rüstungsunternehmen? Oder: Wo fängt ethisches Investieren an?

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Ein Leser des Blogs stellte mir vor ein paar Tagen die Frage, wo ich denn die Grenze hinsichtlich „Rüstung“ ziehe. Er sandte mir den Link zu einer Übersicht mit den Rüstungsaktivitäten der Top 100 Engineering Unternehmen. Die Seite wird von Berliner Ingenieuren mit sozialer und ökologischer Verantwortung betrieben. Die Übersicht brachte mich zum Nachdenken. 

In meinen Anlagekriterien habe ich definiert, dass ich kritische Branchen (Rüstung, Atomkraft, Glücksspiel, Öl, Kohle) ausschließe. Und mit Ausschließen meine ich, dass ich Unternehmen aus diesen Branchen nicht im Depot haben möchte. Jetzt könnte ich es mir leicht machen und sagen, dass ein Unternehmen erst dann einer Branche angehört, wenn die Mehrheit des Umsatzes oder aber wenigstens ein beträchtlicher Teil auf den Sektor Rüstung entfällt. Das ist sicherlich auch ein K.O.-Kriterium. Und deshalb würden Unternehmen wie Heckler & Koch, Raytheon oder Rheinmetall auch niemals den Weg in mein Depot finden.

Spannender – und darauf zielte die Frage des Lesers ja auch ab – ist aber, ob es eine ethische Grenze unabhängig vom Umsatzanteil gibt.

Schaut man sich die verlinkte Übersicht an, dann sind da Unternehmen enthalten, die ich spontan nicht mit Rüstung in Verbindung gebracht hätte. Nestlé, größter Nahrungsmittelhersteller der Welt, produziert z.B. speziell für die Bedürfnisse von Soldaten entwickelte Nahrung und beliefert das US-Militär. Die Tochter der Deutsche Post AG DHL ist demnach in großem Umfang verantwortlich für die Logistik der Bundeswehr.

Aber kann man da schon von Rüstungsunternehmen sprechen? Kommt es nicht auch auf die Qualität dessen an, was hergestellt wird? Nahrung ist erforderlich, um Krieg zu führen. Das ist klar. Und wenn es ein Unternehmen wäre, das ausschließlich Militärnahrung produziert, dann wäre die Sache auch wieder eindeutig.

Mein Abgrenzungskriterium bleibt daher zunächst der Umsatzanteil am Gesamtumsatz und dann die Frage, ob es einen eigenen Rüstungsbereich gibt und welche Produkte in diesem hergestellt werden.

In der Übersicht befinden sich zwei Titel aus dem Divantis-Depot: BASF und Siemens. Auf einer weiteren Seite habe ich auch noch 3M als (vermeintliches) „Rüstungsunternehmen“ entdeckt.

BASF stellt demnach Beschichtungen und Kunststoffe her, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Auf der Firmenwebseite werde explizit auf die Vorteile des Kunststoffs Elastollan für diverse militärische Einsatzzwecke (z.B. als Polsterung für Gewehrkolben) hingewiesen. Ich habe selbst recherchiert und Kerofluid® entdeckt, einen Zusatzstoff für Flugbenzin. Er verhindert das Vereisen des Benzins und wird besonders für kleinere Maschinen, insbesondere Miltärjets beworben (hier der Link dazu!).

Siemens liefert seit Jahren und Jahrzehnten Produkte auch an Militärs. Zuletzt erhielten sie einen Großauftrag des US-Militärs über Röntgengeräte und andere Medizintechnik. Ein Problem hätte ich damit, wenn mit diesen Röntgengeräten feindliche Ziele ausgespäht würden. Aber so wie ich es verstehe, sollen sie in Militärkrankenhäusern Anwendung finden. Das halte ich für ethisch vertretbar.

3M stellt speziell für Polizei- und Militär-Einsätze u.a. Gehör- und Augenschutz und mobile Ausweis- und Dokumentenlesegeräte her. Da ich gegen Polizeieinsätze nichts habe, ist es wie mit der Nahrung: Gehör- und Augenschutz sind auch zivil, insbesondere auf Baustellen nötig. Hier ist 3M Marktführer. Und die Produktkompetenz wird auch beim Militär gerne genutzt.

Positiv habe ich auf der Übersicht zwei Unternehmen gefunden, die offenbar den Rüstungs-Check gut überstanden haben und als „unverdächtig“ gelten: Procter & Gamble und Unilever. Das ist doch schön und beide Unternehmen bereiten mir auch schon viele Jahre viel Freude mit ihren steigenden Dividenden.

Ich bin mit meiner Definition bisher – aus dem Bauch heraus – gut klargekommen. Aber selbstverständlich halte ich nicht unbelehrbar an den Investments fest. Wenn sich herausstellt, dass ein „Kriegsgewinnler“ in meinem Depot gelandet ist, dann wird er verkauft.

Ich bin nicht so eingestellt, dass ich pazifistisch jede Form von Gewalteinsatz komplett verurteile. Es gibt sicher auch Situationen, in denen ein Militäreinsatz aus dem Ausland für die Bevölkerung einen Segen darstellt. Aber meistens liegen auch dort die Ursachen in der Vergangenheit, wenn z.B. ein Diktator mit Waffenlieferungen unterstützt wurde.

Ich habe für mich entschieden, dass mein Geld nicht in Rüstung investiert sein soll. Ich will mich nicht über Dividenden oder Kurssteigerungen freuen, an denen Blut klebt oder kleben könnte. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden.

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6 Gedanken zu „Ist Nestlé ein Rüstungsunternehmen? Oder: Wo fängt ethisches Investieren an?“

  1. Hallo,

    ich sehe das ein wenig anders. Zwar habe ich auch keine Rüstungskonzerne in meinem Depot, aber warum eigentlich nicht?
    Als Kleinanleger habe ich zb zur Zeit 650 BP Aktien im Depot. Die Aktien habe ich nach und nach erworben. Nicht von BP, sondern von anderen Anlegern oder Instutitionen. Das heißt, das BP kein Geld von mir gesehen hat. Hätte BP eine Kapitalerhöhung in dieser Zeit angestrebt, dann wäre es wahrscheinlich, das ich mit meinem Kauf BP unterstützt hätte. Da ich Kleinanleger bin und auch nur „große“ Unternehmen in meinen Depot habe, sind meine Käufe / Verkäufe marginal, sowohl auf die täglich gehandelte Anzahl an Aktien, sowie auch auf die Kursentwicklung. Es gibt etwas weniger als 20.000.000.000 Aktien von BP, täglich, zumindest immer dann, wenn ich geguckt habe, werden mehr als 10Mio Aktien gehandelt. Das heißt, das ich, auch wenn ich all meine BP Aktien verkaufe oder meinen Bestand verdoppeln würde, absolut und relativ mich noch nicht mal im promille Bereich befinde. Anderes sehe es aus, wenn ich in Aktienfonds investiert hätte, da sind bzw können die Bewegungen den Prozent Bereich tangieren was dann ggfs Auswirkungen aus den Aktienkurs haben kann. Der Aktienkurs kann uU das Kreditwesen eines Unternehmens berühren. Daher achte ich bei meinen ETF´s auf die Ethikkriterien die keine Tierversuche, frei von Atomenergie und Rüstung sein sollen. Aber als Kleinanleger bei Einzelaktien sehe ich für mich eigentlich keinen Grund auf bestimmte Aktien zu verzichten. Sollte ich einen Denkfehler haben, bin ich für jede Korrektur dankbar. Korrekturen die meine Grammatik etc betreffen können getrost zu Hause bleiben;)

    1. Hallo Hansi, erst mal ist das natürlich nur meine Meinung. Dass es andere anders sehen, ist also ganz normal. Ich will auch nicht besserwisserisch wirken, aber ich verstehe deine Position nicht ganz. Wo siehst du denn den Unterschied zwischen einem Einzelinvestment in eine Aktie oder einen Fonds? Es sind doch die gleich wenigen Euro, die du als Kleinanleger anlegen kannst. Warum sollte das denn bei einem Fonds mehr bewegen als bei der Einzelaktie?
      Dass du das Geld als Aktionär nicht direkt an ein Unternehmen gibst, ist sicher so. Aber trotzdem bist du direkt an dem Unternehmen beteiligt. Auch wenn der Aktienkauf dem Unternehmen kein frisches Geld bringt. Du bist der Eigentümer. Zwar nur ein kleiner, aber du bist einer. Und entsprechend erhältst du ja deine Dividende auch nicht auf den Aktienkurs, sondern auf die Höhe deiner Beteiligung, sprich Anzahl der Aktien.
      Ich kann nachvollziehen, wenn man denkt: „Als Einzelner kann ich nichts bewegen. Niemand interessiert es, ob ich diese Aktie kaufe oder nicht.“ – Aber was, wenn ganz viele Einzelne anders denken? Könnten die dann nicht doch was bewegen?
      Mir geht es aber nicht darum, eine Bewegung auszulösen o.ä. Mir macht es einfach ein gutes Gefühl, wenn ich in gewisse Branchen nicht investiert bin. Und ich muss mich dann auch nicht darüber freuen, wenn Donald Trump einen Milliardenrüstungsdeal mit Saudi-Arabien abschließt. Weil ich keine Aktien habe, die davon profitieren.
      Ich glaube, wir sind inhaltlich gar nicht so weit voneinander entfernt! Du hast ja auch keine Rüstungskonzerne in deinem Depot…
      Viele Grüße Ben

  2. Vielleicht sollte man die Kirche im Dorf lassen.
    Insb. was die sogenannte „Nachhaltigkeit“ angeht, hier sehen Lobbyisten sogar „Rheinmetall“ als Nachhaltig an, weil ja „Frieden gesichert“ wird.
    Und Atomkraft ist ja mittlerweile auch kein Tabu mehr, die EU hält auch diese für „Nachhaltig“.
    Alles eine Frage des Blickwinkels, insb. wenn dieser monitär verschleiert ist.

    „ethisches Investieren“?
    Wir sind eine dekadente und konsumbesessene Gesellschaft – da ändert auch ethisches Geschwurbel nichts dran.

  3. Hat sich deine Meinung von der Rüstungsbranche seit dem Angriff auf die Ukraine verändert?
    Ich persönlich finde, dass die Wehrhaftigkeit der westlichen Staaten notwendig ist und denke deshalb inzwischen, dass es vertretbar ist, Rüstungshersteller im Depot zu haben. Allerdings ziehe ich die Grenze bei ABC-Waffen, Streubomben und bei Lobbyarbeit, durch die ermöglicht wird, dass Waffen zu großzügig an die Zivilbevölkerung verkauft werden. Ich habe das allerdings noch nicht fertig durchdacht und mir auch noch keine entsprechenden Unternehmen gekauft.

    1. Hallo, Dominik, jetzt ist es aber auch schon zu spät, Rüstungsaktien vulgo Verteidigungsaktien zu kaufen. Jetzt will sie jeder und jetzt sind sie zu teuer

    2. Hallo Dominik,

      auch bei mir hat ein Umdenkprozess eingesetzt. Der geht nicht so weit, dass ich mir selbst Rüstung ins Depot lege. Aber ich unterstütze höhere Ausgaben für unsere Verteidigung, sehe sie sogar als notwendig an. Es kann nicht funktionieren, alles den Amerikanern zu überlassen und sich so völlig abhängig von den jeweiligen US-Präsidenten zu machen. Europa muss mehr tun, das steht für mich fest. Ich unterstütze das auch mit meinen Steuern.
      Trotzdem kann ich mich mit Rüstungsaktien nicht anfreunden. Dafür stehe ich zu wenig hinter dem Geschäftsmodell. Ich wünsche mir Frieden und weniger Krieg. Das wäre für so ein Investment aber nachteilig. Und diese innere Zerrissenheit möchte ich nicht haben. Es gibt so viele Alternativen fürs Depot, da verzichte ich weiterhin auf Rüstung.

      Viele Grüße Ben

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