Was Dich hier erwartet:
Joe Kaeser hat die Siemens AG umgebaut und viele Unternehmensteile ausgegliedert. Teilweise wurden sie verkauft oder – wie bei Siemens Healthineers – erfolgreich an die Börse gebracht.
Zum Ende seiner Amtszeit wird Kaeser nun das größte Stück vom Kuchen abtrennen, die Energiesparte.
Was das für Dich als Siemens-Aktionär bedeutet und wie ich mit dem Spin-Off umgehen werde, erfährst Du in diesem Artikel.
Spin-Offs sind nichts Ungewöhnliches
Spin-Offs finden bei großen Konzernen immer mal wieder statt. Zuletzt war das in meinem Depot bei Novartis und seiner Augensparte der Fall. Weil ich mir über die steuerliche Bewertung unsicher war, verkaufte ich die Novartis-Aktien vor dem Spin-Off und kaufte sie – deutlich günstiger – im Anschluss zurück.
Bei Siemens Healthineers gab es eine klassische Neuemission, bei der ich eine Zeichnung aufgab und eine Zuteilung erhielt.
Wie verläuft nun der Spin-Off der Energie Sparte von Siemens?
Siemens Energy wird am 28. September 2020 an die Börse gehen. Das ist gerade noch rechtzeitig vor dem Ende des Geschäftsjahres (30.09.) des Siemens-Konzerns. Jeder Siemens-Aktionär erhält dann für je zwei Siemens-Aktien eine Aktie von Siemens-Energy ins Depot gebucht. Diese Aktien gibt es zusätzlich und gratis. Aber: Zunächst einmal gibt es nichts geschenkt. Denn der Wert der Siemens-Aktien wird entsprechend sinken.

(Quelle: https://new.siemens.com/global/de/unternehmen/investor-relations/siemens-energy-spin-off.html)
Konkret wird das bei mir so aussehen: Ich habe 120 Siemens-Aktien im Depot. Zusätzlich erhalte ich also 60 Aktien von Siemens Energy eingebucht. Nehmen wir an, dass die Aktien einen Wert von 30 € pro Stück haben werden. Dann wird jede Siemens-Aktie einen Kursabschlag von 15 € haben. Vorher waren die 120 Siemens-Aktien (Kurs: 100 €) 12.000 € wert. Nach dem Spin-Off verteilt sich das auf 10.200 € für die Siemens-Aktien (Kurs: 85 €) und 1.800 € für die Siemens Energy-Aktien (Kurs: 30 €).
Für die Einbuchung der neuen Aktien ist nur der Siemens-Aktienbestand am Abend vor der Börseneinführung relevant, Du brauchst noch nicht bei der außerordentlichen Hauptversammlung am 9. Juli Siemens-Aktionär sein.
Und was ist dann der Vorteil?
Die Hoffnung bei einem solch Spin-Off liegt darin, dass sich die Mutter-Aktie Siemens recht bald ohne die Tochter besser entwickelt und den Kursabschlag wieder aufholt. Weil sie ein Sorgenkind los geworden und ihre Eigenkapitalrendite steigt. Und auf der anderen Seite bekommt die Energiesparte die Chance, durch eine Fokussierung auf ihr Kerngeschäft den Turnaround zu schaffen und ebenfalls eine Wertsteigerung zu erzielen.
Wie steht es geschäftlich um die Energiesparte?
Siemens Energy wird fast 30 Mrd. € Umsatz machen und 91.000 Mitarbeiter haben. Die Ausstattung wird solide sein, beim Start werden 2 Mrd. € Nettocash mitgegeben und 81 Mrd. € Orders in den Büchern. Allerdings schreibt das neue Unternehmen derzeit rote Zahlen. Der Bereich Gas & Power mit Gasturbinen, Kraftwerken und Förderausrüstung ist das Sorgenkind. Zukunftsträchtig soll eigentlich der Anteil am Windkraftkonzern Siemens Gamesa (67%) sein. Das Onshore-Windkraftgeschäft schrieb zuletzt aber auch Verluste.
Dividendenpolitik
Die Dividendenpolitik von Siemens Energy soll sich an der Politik der Mutter orientieren. 40 bis 60% des Nettogewinns sollen ausgeschüttet werden. Dazu muss aber erst mal ein Gewinn her. 2021 und 2022 rechne ich noch nicht mit Dividenden, ab 2023 – wenn die Restrukturierung erfolgreich war – könnte dann aber etwas Zählbares herauskommen. Durch das abweichende Geschäftsjahr dürfte Siemens Energy seine Dividende dann auch jeweils im Februar zahlen.
Will ich Siemens Energy im Depot haben?
Wäre Siemens Energy jetzt schon börsennotiert, würde ich sie sicher nicht kaufen. Um das Kraftwerksgeschäft mit fossilen Energien mache ich einen Bogen. Allerdings habe ich den Teil ja schon immer als Anhängsel meiner Siemens-Aktien gehabt. Warum soll ich den Aktien nicht eine Chance geben? Den Teil der Windenergie finde ich schließlich zukunftsträchtig. Und wenn sich die Aktie mittelfristig gut entwickelt, dann sorgt sie für eine weitere Diversifikation in meinem Depot. Aufgrund der Größe ist sie zudem ein Kandidat für den MDAX und damit auch im Fokus der Börse.
Ich habe mich daher dazu entschlossen, die Aktien zu behalten. Mit 60 Stück ist es zudem eine ordentliche Stückzahl, die sich auch lohnt im Depot zu halten. Ich werde deshalb im Vorfeld auch keine Siemens-Aktien zukaufen, um mehr Siemens Energy-Aktien zu bekommen.
Und wie sieht das steuerlich aus?
Da es sich um eine reine deutsche Transaktion handelt, wird der Spin-Off für deutsche Privatanleger steuerlich neutral verlaufen. Nachzulesen ist das in Kapitel VIII. 2. d) des Spaltungsberichts (Link am Ende dieses Beitrags).
Dabei wird das Bezugsverhältnis 2:1 zu Grunde gelegt. Konkret müsste das bei mir so aussehen: Meine 120 Siemens-Aktien habe ich zu einem Einstandskurs von durchschnittlich 95,65 € gekauft. Dieser Wert wird um ein Drittel auf 63,77 € reduziert. Die neuen Aktien (60 Stück) werden mit 31,88 € 63,76 € eingebucht. Damit ist dann steuerlich das Verhältnis von 2:1 hergestellt. Eine Besteuerung findet dann erst beim Verkauf von Aktien statt.
Nachtrag: Ursprünglich hatte ich einen kleinen Denkfehler in der Berechnung – Danke für die Hinweise in den Kommentaren: Die Reduzierung bei den Siemens-Aktien ist korrekt. Da es aber nur die Hälfte an Siemens Energy-Aktien gibt, ist der steuerliche Einstandswert für die Siemens Energy-Aktien doppelt so hoch. In meinem Fall also 31,88*2 = 63,76 €. Die neuen steuerlichen Einstandswerte sehen dann so aus:
Vor dem Spin-Off:
120 Siemens-Aktien: 11.478 € (= 95,65 € pro Aktie)
Nach dem Spin-Off:
120 Siemens-Aktien: 7.652 € (= 63,77 € pro Aktie)
60 Siemens Energy-Aktien: 3.826 € (= 63,77 € pro Aktie)
Der steuerliche Einstandskurs einer einzelnen Siemens- und einer einzelnen Siemens-Energy-Aktie ist damit sogar identisch.
In meinem Depot beim S Broker * ist das auch entsprechend korrekt umgesetzt worden (die Einstandskurse sind leicht anders, aber das ist für diese Berechnung egal):

In der Depotübersicht klafft deshalb bei den Aktien der Siemens Energy ein fettes Minus. Dafür sind die Siemens-Aktien viel deutlicher im Plus als zuvor:

Warum ich schon heute meine Gedanken zu Siemens Energy nenne?
Es sind jetzt noch gute vier Monate bis zum Spin-Off. Bis dahin wird in der Siemens-Aktie sicherlich Musik sein. Noch liegt die Aktie bei einem Kurs von 100 €, sie hat sich aber schon deutlich von ihrem Tief im März bei 60 € erholt.
Wenn Du an Deiner Siemens-Position vor dem Spin-Off etwas verändern willst, dann ist die Kursentwicklung bedeutend. Oftmals entwickeln sich Aktien vor dem Spin-Off besonders gut, weil viele Aktionäre glauben, es gäbe etwas geschenkt. Wie ich dargestellt habe, ist das aber nicht der Fall! Wenn Du Siemens Energy-Aktien haben willst, dann kannst Du sie auch entspannt nach der Börseneinführung kaufen. Denn erstmal wird der Kurs wahrscheinlich unter Druck geraten: Alle ETFs, in denen sich Siemens-Aktien befinden, werden die Siemens Energy-Aktien verkaufen müssen. Weil sie nicht in dem Index des ETF notiert sein werden.
Und wenn ich eine ungerade Zahl von Siemens-Aktien habe?
Durch das Bezugsverhältnis von 2:1 wirst Du bei einer ungeraden Stückzahl von Siemens-Aktien in Deinem Depot keine halbe Siemens Energy-Aktie erhalten. Hast Du z.B. 25 Siemens-Aktien, dann kriegst Du zusätzlich 12 Siemens Energy-Aktien. Dir entsteht aber kein Nachteil! Am ersten Tag der Börsennotiz wird Dein Recht auf eine halbe Aktie ausgebucht und Du erhältst gebührenfrei einen Barausgleich in Höhe des halben Börsenkurses (da es ja eine virtuelle halbe Aktie ist).
Noch mehr Fragen werden hier beantwortet
Wenn Du ganz tief ins Thema einsteigen willst, dann empfehle ich Dir die Lektüre des Spaltungsberichts (402 Seiten starkes PDF-Dokument hier zum Download). Darin steht u.a., dass die Abspaltung einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag an Kosten verursacht.
Hoffentlich zahlt sich das wirklich für uns Aktionäre aus!

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