Was Dich hier erwartet:
Beim Öffnen der Scalable-App begrüßt Dich seit heute eine Mitteilung, die ein bißchen wirkt wie die üblichen Zustimmungen zur Anpassungen der Geschäftsbedingungen. Seit diese nicht mehr automatisch wirksam werden dürfen, stimmen wir ihnen regelmäßig aktiv zu.
Bei Scalable ist es aber deutlich komplexer und mit größeren Folgen verbunden: Du wirst aufgefordert, Dein Depot zu übertragen und eine neue Kundenverbindung zu eröffnen.
Was es damit genau auf sich hat und warum ich dazu mahne, nichts zu überstürzen, erfährst Du in diesem Beitrag.
Der Hintergrund
Scalable hat bisher keine eigenen Depots. Genau wie bei finanzen.net ZERO, Travers Place und Smartbroker+ agiert im Hintergrund die Baader Bank. Dein Depot und Dein Verrechnungskonto liegt deshalb bei der Baader Bank. Sie erfüllt die regulatorischen Voraussetzungen zum Bankbetrieb, wickelt alle Geschäfte für Dich ab und die Einlagen sind auch dort gesichert.
Scalable plant nun eine eigene Depotverbindung aufzubauen. Dazu hat sie schon seit 2023 die Erlaubnis als Wertpapierinstitut. Für das notwendige Verrechnungskonto ist aber eine eigene Banklizenz notwendig. Bereits Mitte Oktober berichtete Finance Forward darüber, dass ein entsprechender Antrag eingereicht worden sei.
Für Neukunden ist die Sache zukünftig relativ einfach: sie werden direkt ein Depot beim neuen Scalable-Wertpapierinstitut eröffnen. Das Verrechnungskonto wird bei einer Partnerbank geführt bis Scalable selbst die Bankerlaubnis hat.
Das ist das Prinzip, mit dem Trade Republic auch schon länger erfolgreich ist: das Depot wird selbst geführt, das Verrechnungskonto liegt z.B. bei der Deutschen Bank.
Als Bestandskunde von Scalable ist es aber anders: Du hast ja bereits ein Depot bei der Baader Bank! Und deshalb erhältst Du diese Nachricht in Deiner App:

So will Scalable vorgehen
Scalable-Kunden sollen eine Zustimmung zu einer Änderung der Vertragsbedingungen erteilen, die Scalable den Wechsel der Depotverbindung ermöglicht:

Konkret werden dann die Vertragsbedingungen in Punkt 7.3 wie folgt geändert:

Scalable hat angekündigt, im 1. Schritt für die zustimmenden Bestandskunden ein neues Depot zu eröffnen. Und dann einen Depotübertrag vom bisherigen Depot bei der Baader Bank auf das neue Depot durchzuführen.
Die Vorteile einer Zustimmung
Scalable entwickelt sich zu einer Vollbank und geht damit den Schritt, den Trade Republic vorgezeichnet hat. Für uns Kunden kann das nur gut sein, gibt es doch so mehr Wettbewerb und Differenzierungsmöglichkeiten. Denn faktisch waren die meisten Neobroker ja bisher nur unterschiedliche Verpackungen der Baader Bank. Zukünftig unterscheiden sich auch die Inhalte. Bei der Baader Bank verbleiben dann „nur noch“ Smartbroker+, Traders Place und finanzen.net ZERO. Mal von Sino als Spezialbroker für Heavy-Trader abgesehen.
Scalable wird mit der eigenen Depotverbindung dann auch eine Verzinsung des Verrechnungskontos anbieten. Und damit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Trade Republic schließen.
Die Nachteile einer Zustimmung
Ich will hier keine Ängste schüren und natürlich weiß ich auch nicht, wie reibungslos der Wechsel der Depotverbindung funktionieren wird. Es gibt aber ein Beispiel in der jüngeren Vergangenheit, das hier mahnend wirkt: Der Smartbroker wechselte erst im letzten Jahr die Depotbank von BNP Paribas zur Baader Bank und bezeichnet sich seitdem als Smartbroker+. Viele Leser des Divantis-Blogs haben über Schwierigkeiten beim Depotübertrag berichtet. Da waren Wertpapiere längere Zeit nicht handelbar oder Dividenden wurden zunächst nicht gutgeschrieben. Das ist bei so einer Migration vermutlich normal, aber für uns als Kunden unschön.
Ich selbst habe eine negative Erfahrung gemacht: Ich hatte beim Smartbroker 10 Realty Income-Aktien liegen, um damit meinen Wechselkursvergleich zu machen. Dabei handelt es sich um einen monatlich ausschüttenden REIT. Die Anteile ließ ich automatisiert zu Smartbroker+ übertragen. Mein bisheriges Depot wurde geschlossen. Nun werden Ausschüttungen von REITs allerdings zeitversetzt neu abgerechnet. Nämlich dann, wenn die Depotbanken Informationen erhalten, welcher Anteil der Ausschüttung als Kapitalrückzahlung gilt. Es ändern sich dabei minimal die Steuerabzüge und im normalen Depotgeschäft fällt das nichts wirklich ins Gewicht. Ich habe da meistens eine Erstattung von wenigen Cent, aber 20 Buchungen auf dem Konto. Zum Problem wird das allerdings, wenn das ursprüngliche Depot nicht mehr besteht. Bei mir hat BNP Paribas die alten Abrechnungen storniert und damit mein neues Verrechnungskonto bei der Baader Bank belastet. Die Gutschrift der geänderten Abrechnungen erfolgte aber auf ein Treuhandkonto, da mein altes Verrechnungskonto bei der BNP Paribas nicht mehr bestand. Erst nach mehreren Beschwerden und einigen Monaten erhielt ich das Geld gutgeschrieben. In der Zwischenzeit berechnete mir die Baader Bank Sollzinsen, da mein Konto beim Smartbroker+ überzogen war.
Dieses Risiko besteht jetzt auch wieder. Wer also REITs in seinem Depot bei Scalable hat oder hatte (die Neuabrechnungen erfolgen teilweise mehr als ein Jahr später!), kann sich schon mal auf Schwierigkeiten einstellen.
Beim Smarktbroker durften – entgegen der ursprünglichen Ankündigung – alle Kunden, die einer Verlagerung des Depots nicht zugestimmt haben, am Ende doch ihre alten Depots bei der BNP Paribas behalten.
Aus dieser Erfahrung heraus mein Appell:
Lass Dich nicht unter Druck setzen!
Scalable hat bereits damit begonnen, Druck aufzubauen und agiert hier meiner Meinung nach unredlich. Denn die Frage zu stellen „Was muss ich jetzt tun?“, ist nichts anderes als Druck auszuüben und dabei die Wahrheit zu verschweigen:

Denn tatsächlich muss ich als Kunde gar nichts tun. Ich kann zustimmen oder es auch lassen. Wenn ich nicht zustimme, dann ändert sich für mich erstmal nichts. Natürlich kann Scalable mir die Kundenverbindung kündigen. Aber dann verlieren sie mich als Kunden und damit auch Provisionserlöse. Ich bin mir deshalb ziemlich sicher, dass das nicht bzw. nur für bestandslose Depots passieren wird. Für alle anderen Kunden wird es eine Lösung geben, die einen Verbleib bei der Baader Bank vorsieht. Auch die Baader Bank hat kein Interesse daran, uns als Kunden zu verlieren!
Was passiert mit den Sparplänen?
Scalable ist für mich vor allem für seine Sparpläne attraktiv. Ich habe dort einige Produkte gefunden, die bei anderen Broker nicht sparplanfähig sind.
Wer der Umstellung zustimmt, ist dann auch einverstanden, dass die Sparpläne im alten Depot beendet und im neuen Depot neu aufgesetzt werden. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es gibt allerdings einen Haken:
Jede Sparplanausführung führt ja zu Bruchstücken. Und bei Bruchstücken ist nicht garantiert, dass sie auch übertragen werden können. Wenn die Baader Bank das nicht hinkriegt (warum sollte sie sich da ein Bein ausreißen?), dann werden die Bruchstücke verkauft. Und zwar zu einem Zeitpunkt, den ich nicht in der Hand habe und zum einem Kurs über gettex, den ich ebenfalls nicht kenne.

Nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis kostet der Handel von ETFs über gettex bei einem Ordervolumen unter 250 € (regelmäßig der Fall bei Bruchstücken) übrigens 0,99 € je Order. Ob diese Kosten im Rahmen der Umstellung anfallen oder erstattet werden, ist bisher nicht kommuniziert. Es besteht zumindest das Risiko, dass hier bei entsprechend vielen Positionen mit Bruchstücken doch einiges an Kosten anfällt.
Meine Vorgehensweise
Ich werde den Änderungen nicht zustimmen und abwarten, was passiert. Sobald es möglich ist, werde ich selbst ein neues Depot bei Scalable eröffnen. Dann habe ich es in der Hand, meine Wertpapiere zu übertragen oder eben auch nicht. Meine Sparpläne werde ich dort eigenständig neu anlegen und in meinem alten Depot stoppen. 2 neue Sparpläne, die jetzt in wenigen Tagen erstmals ausgeführt werden sollten, habe ich direkt gelöscht.
Natürlich ist das mit einem Zusatzaufwand verbunden: Ich muss mich neu legitimieren und etwaige Depotüberträge händisch aufgeben. Aber so habe ich wenigstens weiterhin die volle Kontrolle über mein Vermögen. Denn das ist mir als Selbstentscheider wichtig: Ich bestimme, wann ich welche Wertpapiere übertrage oder verkaufe. Niemand sonst. Und es gibt genug Alternativen zu Scalable, da muss ich mich nicht unter Druck setzen lassen.
Generell zeigt mir das Ganze erneut, dass es wichtig ist, mehrere Depots bei verschiedenen Brokern zu haben. Und vor allem nicht alles bei nur einem Neobroker. Der Markt ist dort weiter in Bewegung und es beruhigt mich persönlich, die größeren Wertpapierdepots bei „klassischen“ Brokern wie maxblue oder flatex zu haben. Aber das ist natürlich Geschmackssache.


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