Was Dich hier erwartet:
Diese Frage stellte mir Florian in einem wohlwollenden Kommentar, nachdem ich meinen Beitrag zur Dividendenzahlung von BASF veröffentlicht hatte. In dem Beitrag sprach ich – anders als in all den letzten Jahren – nicht mehr davon, dass ich BASF langfristig halten wolle. Und ich begründete ausführlich, warum die Aktie für mich ein Verkaufskandidat ist.
Der Kommentar erfuhr einigen Zuspruch und ich nutze die Gelegenheit gerne, etwas ausführlicher darauf einzugehen. Denn die letzten Wochen haben mich tatsächlich verändert und das hat Florian mit seinem Kommentar irgendwie auch gut auf den Punkt gebracht.
Was ist in den letzten Wochen passiert und was sind meine Konsequenzen daraus?
In mehreren Beiträgen habe ich es schon angedeutet und auf meine Sorgen hingewiesen. Wir sind mitten in einer Zeitenwende!
Das was in den letzten Jahren so einfach war, nämlich kaufen und liegen lassen, muss heute hinterfragt werden. Passt die Aktie noch in mein Risikoprofil und will ich sie wirklich noch im Depot haben?
Willkommen im Bärenmarkt!
In den letzten Wochen hat sich aus meiner Sicht die Lage komplett verändert. Nach 2 Jahren Corona-Pandemie ist die Wirtschaft weltweit heftig angeschlagen. Die Staatsschulden sind durch die Hilfsprogramme auf Rekordständen. Die Inflation ist nicht mehr nur vorübergehend, sondern erreicht Marken wie in den letzten 20 Jahren nicht. Die Lieferketten sind gestört und in China bestimmen großflächige Lockdowns die Tagesordnung. Es kommt zur Zinswende, die Notenbanken erhöhen ihre Zinsen.
Das wäre alles schon mehr als genug, um nachdenklich zu sein. Aber dann kommt auch noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hinzu. Und damit eine reale Bedrohung für unser Leben, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich.
Ich bin – leider – überzeugt davon, dass die goldenen Jahren am Aktienmarkt nun vorerst vorbei sind. Sicherlich wird es irgendwann wieder größeren Optimismus geben. Aber das kann dauern. Ich stelle mich deshalb eher darauf ein, dass wir die nächsten 5-10 Jahre einen Bärenmarkt haben werden.
Was bedeutet das für mich als Investor?
Meine Anlagestrategie ist seit jeher darauf ausgerichtet, auch solche Marktphasen gut zu überstehen. Durch die Konzentration auf ausschüttende Aktien erhalte ich einen regelmäßigen Cash-Flow, ohne Aktien verkaufen zu müssen. Und mit diesen Ausschüttungen kann ich entweder neu in die Aktien investieren oder andere Projekte forcieren.
Aber trotzdem ist mein Dividendendepot natürlich nicht völlig losgelöst vom allgemeinen Aktienmarkt. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde: es ist mir egal, wenn der Wert meines Depots – wie im Corona-Crash – innerhalb weniger Wochen um 100.000 € sinkt. Natürlich macht das etwas mit mir.
Durchhalten kann ich solche Phasen nur dann, wenn ich vollkommen überzeugt von jedem einzelnen Titel in meinem Depot bin. Und deshalb ist es für mich jetzt umso wichtiger, mich auch von Titeln zu trennen, die dieses Kriterium nicht mehr erfüllen. BASF und seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen ist ein solches Beispiel, bei dem die veränderte Situation auch eine Veränderung meiner persönlichen Einschätzung mit sich bringt.
Meine persönliche Asset-Allocation
Selbstverständlich streue ich meine Geldanlagen und habe mir über die letzten Jahrzehnte ein breites Portfolio aufgebaut. Neben Aktien sind Immobilien dabei ein wichtiger Teil. Sie sind aber nicht so leicht veräußerbar und deshalb auch automatisch ein fester Block in meiner Asset-Allocation.
Bei Aktien ist das anders, hier kann ich leichter Veränderungen vornehmen und mich defensiver aufstellen, wenn ich das für erforderlich halte.
In starken Marktphasen hatte ich fast meine gesamten liquiden Vermögenswerte in Aktien angelegt. Und diese Aktien waren quasi ausschließlich im Dividendendepot.
Ich konnte dieses Risiko eingehen und damit auch alle Chancen mitnehmen, da ich in meiner Festanstellung sehr gut verdient habe. Mit einem sechststelligen Jahresgehalt (erst Brutto, später sogar Netto) wusste ich, dass ich jeden Monat frisches Cash auf meinem Konto haben würde. Wenn neue Projekte anstanden, konnte ich sie einfach daraus finanzieren (z.B. auch die Nebenkosten beim Kauf einer Eigentumswohnung zur Kapitalanlage).
Seit ich selbstständig bin, habe ich diese festen, kalkulierbaren Zuflüsse nicht mehr. Und mein Einkommen ist auch nicht mehr so hoch – ganz bewusst. Natürlich verändert auch das mein Anlageverhalten.
Ich habe deshalb die 100% Quote im Dividendendepot sukzessive reduziert und will Ende des Jahres 2022 bei 75% stehen. 20% sollen defensiver und 5% offensiver angelegt werden.
Der defensive Teil soll zum Einen (Optionsdepot) meine laufenden Erträge erhöhen und zum Anderen (Zitronen-Depot) für langfristige zukünftige Erträge sorgen.
Mein wichtigstes Ziel
Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass es zur Geldanlage in Aktien keine Alternative gibt. Aber diese Geldanlage darf niemals mein Leben bestimmen. Natürlich beschäftige ich mich zeitlich sehr viel damit. Schon allein deshalb, weil ich als Finanzblogger auch sehr viel darüber schreibe.
Aber ich möchte niemals abends im Bett liegen und denken: So ein Mist, die Wall Street hat heute wieder 5% verloren, was passiert jetzt morgen im DAX?
Ich möchte mit meinen Geldanlagen immer gut schlafen können. Ansonsten muss ich etwas ändern! Der Aufbau der defensiven Depotteile ist ein wichtiger Beitrag dazu.
Meine veränderte Risikosensitivität
Die letzten Wochen haben natürlich etwas mit mir gemacht. Insofern hat Florian mit seinem Kommentar vollkommen recht gehabt. Und er hat auch noch einen anderen Aspekt erkannt. Dadurch, dass ich keine festen Einkünfte mehr habe, bin ich auch sensibler gegenüber Risiken geworden.
Auch dafür ist BASF ein gutes Beispiel. Aus meiner Sicht besteht bei der Aktie derzeit das Risiko eines Totalverlustes. Über einen Verlust von rund 5.000 € hätte ich früher gedacht: „Okay, das gleichen die anderen Aktien im Depot locker wieder aus.“ und wenn nicht: „Dann muss ich halt einen Monat dafür arbeiten – das halte ich aus.“ Heute denke ich anders: „Wenn sich so ein Verlust vermeiden lässt, dann verkaufe ich lieber vorher.“
Es stimmt also schon, ich habe mich verändert. Ich glaube aber nicht, dass es nur etwas mit meiner Selbstständigkeit zu tun hat. Sondern eben auch mit dem Gesamtmarkt. Einfach weil ich viel genauer auf die einzelnen Titel schauen muss, um mein Gesamtdepot durch diese Phase zu bringen.
Zukünftige Investitionskriterien
Bei meinen Investments in das Dividendendepot schaue ich seit einiger Zeit sehr genau, inwiefern die Unternehmen in der Lage sind, mit der Inflation umzugehen. Haben sie eine solche Marktposition, dass sie Preissteigerungen weiterreichen können?
Bisher habe ich mir das für Neuinvestitionen in diesem Jahr als Kriterium zu Herzen genommen. Herausgekommen sind dann z.B. Käufe von Givaudan oder L’Oréal. Ich werde diesen Weg weitergehen und sicherlich auch noch manche Umschichtung in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren (!) vornehmen. Meinen langfristigen Fokus verliere ich dabei nicht aus den Augen. Denn gerade die beiden genannten Unternehmen sind vergleichsweise teuer gewesen und performen in diesem Jahr schlecht. Langfristig traue ich ihnen aber weiterhin eine sehr gute und vor allem positive Entwicklung zu.
Und darauf kommt es bei allen Investments an: Was erwarte ich in der Zukunft von dem Unternehmen? Ist meine Erwartung positiv und die Einschätzung richtig, dann wird auch über kurz oder lang die Aktie einen positiven Beitrag leisten.
In diesem Sinne schließe ich mit einer Weisheit, die aus meiner Sicht gerade sehr aktuell ist:
Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.


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